Wenn wieder begutachtet wird: Berufsbetreuer müssen nicht dabei begleiten

Sozialleistungsträger muss Kosten notwendiger Begleitung zum Gutachtentermin tragen

Wenn nach dem Ende der Viruskrise für Sozialleistungsgewährungen wieder Gutachten gem. § 62 SGB I erstellt werden und die Betroffenen zu den Gutachtenterminen begleitet werden müssen, brauchen Berufs- und Vereinsbetreuer dies nicht persönlich zu gewährleisten. Das Sozialgericht Dresden verurteilte am 24.05.2019 (S 35 R 1664/17) die Deutsche Rentenversicherung Bund, den Zeitaufwand professioneller Begleitkräfte zu übernehmen und erklärte eine entgegenstehende Verwaltung der DRV zu Lasten von Betreuern für unanwendbar.Der geistig und psychisch behinderte Betroffene sollte auf Grund eines Antrags auf Erwerbsminderungsrente begutachtet werden. Der ärztliche Gutachter hatte die Notwendigkeit der Begleitung zum Termin festgestellt. Die An- und Rückfahrt des Klägers zur Begutachtung erfolgte in Begleitung eines Dienstleisters, der entgeltlich einen Be­gleitservice für Menschen mit Einschränkungen anbietet.

Der Vereinsbetreuer beantragte die Erstattung von 2,5 Stunden á 18,90 €. Die DRV Bund wies den Antrag zurück: Eigentlich hätte der Betreuer den Kläger begleiten müssen. Eine Über­tragung an einen Dritten sei nicht zulässig. Die Begleitung des Betreuten zur Begutachtung gehöre zum Aufgabenkreis des Betreuers und sei mit Vergütung abgegolten. Die DRV Bund berief ich auf eine „Verbindliche Entscheidung“ ihres Vorstandes vom Mai 2015: „Die Begleitung von Betreuten durch Berufsbetreuer zu gem. §§ 61, 62 SGB I angeordneten Terminen oder Untersuchungen ist eine Tätigkeit, die dazu dient, Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Damit wird sie von der pauschalen Honorierung des § 5 VBVG umfasst. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 65a SGB I besteht nicht.“

Dagegen stellte das SG Dresden fest, dass der Betroffene einen Auslagenersatzanspruch gem. § 65a SGB I habe, wenn er sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers einer ärztlichen Untersuchungsmaßnahme unterzieht und die Notwendigkeit der Begleitung ärztlich festgestellt wird (LSG Niedersachsen-Bremen vom 30.10.2013 – L 3 U 151/10). Der Betroffene war schwerbehindert mit einem GdB von 80 und dem Merkzeichen „B“ (Begleitungsnotwendigkeit)

Der rechtliche Betreuer müsse nicht im Rahmen seiner Aufgabenkreise begleiten, weil  tatsächliche Hilfen nur organisiert, nicht in eigener Person erbracht werden müssten (BSG v. 30.6.2016, B 8 SO 7/15R). Der Betroffene musste nur deswegen begleitet werden, um den Ort der Arztpraxis zu finden und den Termin pünktlich wahrnehmen zu können. Dies sei keine rechtsfürsorgerische Tätigkeit des Betreuers, so das SGB Dresden, dieser dürfe Dritte mit solchen untergeordneten Hilfsdiensten zulässig beauftragen. Die „Verbindliche Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund“ vom Mai 2015 sei als untergesetzliche Norm für das Gericht und den Betroffenen nicht bindend und „in offensichtlicher Unkenntnis der Rechtslage gem. § 1896 BGB“ ergangen, so das SG Dresden.