Die Länderjustizminister sind ihrem mittelfristigen Ziel nähergekommen, in ihren Haushalten den Vergütungsaufwand zu senken. Der Faktor „Anzahl der vergüteten Betreuungen“ verliert an Bedeutung, wenn im Zusammenspiel von Gerichten und Behörden ab 2023 zunehmend Betreuerbestellungen unter Verweis auf „andere Hilfen“ unterbleiben. Beim Faktor „Vergütungsaufwand pro Fall“ wird es etwas länger dauern, bis hier Gesetzesänderungen greifen.
- Schritt: Mit der Einführung des Sachkundenachweises 2023 werden die durch Studium oder Ausbildung erworbenen betreuungsrelevanten Fachkenntnisse für die Vergütungshöhe der künftigen Berufsbetreuer irrelevant.
- Schritt: Mit der Rechtsverordnung zur Registrierung (wird im BMJV jetzt vorbereitet) wird das Niveau der Anforderungen an den Sachkundenachweis definiert – und damit die Zahl derer, die ihn ab 2023 erbringen werden.
- Schritt: Mit der Novellierung des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes 2025 wird für die ab dann registrierten Berufsbetreuer eine Einheitsvergütung eingeführt.
Aus der Begründung zu § 8 VBVG-neu im Regierungsentwurf: „… Perspektivisch wird darüber nachzudenken sein, ob eine Differenzierung der Vergütung nach der Ausbildung dann noch sinnvoll ist, wenn ohnehin alle Betreuer ihre Sachkunde gegenüber der Betreuungsbehörde nachgewiesen haben. Bis zur Evaluierung des Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22. Juni 2019, soll diese Differenzierung aber beibehalten werden.“ (BT-Drs. 19/24445, S. 544)
Mit all dem haben Berufs- und Vereinsbetreuer, die bis zum 31.12.2019 erstmalig berufsmäßig bestellt wurden, nichts zu tun. (Tobias Fröschle nennt sie, aus der Sicht des Jahres 2023 rückblickend, „Ganzaltbetreuer“.) Sie müssen sich zwar registrieren lassen, aber gem. § 32 Betreuungsorganisationsgesetz keinen Sachkundenachweis erbringen. Sie genießen im Hinblick auf ihre Vergütungstabelle Bestandsschutz und können nach der endgültigen Tabellenfestlegung nicht mehr zurückgestuft werden. Interessant wird es sein zu sehen, wie viele Rückstufungen die Landesjustizverwaltungen bis Ende 2022 noch vornehmen werden und wie viele davon sie endgültig „vergraulen“ werden, weil diese keinen Sachkundenachweis mehr erbringen werden.
Wer nach Beginn des Gesetzgebungsverfahrens (Stichtag 1.1.2020) erstmals berufsmäßig bestellt wurde („Altbetreuer“), muss bis Ende 2023 den Sachkundenachweis erbringen und hat nach der beschlossenen Fassung des § 19 VBVG ebenfalls Bestandsschutz hinsichtlich der Vergütungstabelle.
Während für die „Ganzaltbetreuer 2019“ für den Berufszugang Fachkenntnisse nicht erforderlich, für die Vergütungstabelle B/C aber durch Ausbildung oder Studium geprüft erworbene betreuungsrelevante Kenntnisse nachzuweisen waren, werden für die Altbetreuer 2020 wie auch für die „Neubetreuer 2023“ die Inhalte des Studiums bzw. der Ausbildung nicht mehr wichtig sein: die Fachkenntnisse werden dann mit dem Sachkundenachweis belegt. Absolventen naturwissenschaftlicher Studiengänge erhalten Tabelle-C-Vergütungen, Handwerksgesellen Tabelle B.
Solche Bestandsschutzregelungen werden für die registrierten Neubetreuer ab 2025 nicht mehr gebraucht. Sie werden eine Vergütung zwischen den Niveaus der Tabellen B und C je nach Marktlage erhalten.
Der wichtigste Indikator der „Betreuer-Arbeitsmarktlage“ wird die Zahl der in den Jahren 2023/2024 erbrachten Sachkundenachweise sein. Diese hängt vom Niveau der Prüfungsanforderungen ab: wenn es eine echte Prüfung wie bei den Rentenberatern (Lehrgangskosten über 7.000 €) geben sollte, dann könnte es ab 2024 knapp werden mit der Zahl registrierter berufsmäßiger Betreuer.
Die Länderjustizminister haben daher im Gesetzgebungsverfahren die Voraussetzungen für einen „niedrigschwelligen“ Sachkundenachweis geschaffen. Ohne ihre Zustimmung im Bundesrat kann die Bundesregierung die notwendige Rechtsverordnung nicht erlassen. Außerdem können sie einem unzureichenden Betreuerangebot mit der Senkung der Betreuerbestellungszahlen durch Propagierung anderer Hilfen oder gar der punktuellen Finanzierung erweiterter Unterstützung entgegenwirken.
Die Einheitsvergütung 2025 für die dann neuen Betreuer wird also eher beim Niveau der Tabelle B als bei C liegen.
Die Länderjustizminister wollten noch nie, dass Berufsbetreuer qualifizierte Fachkräfte sind, und sie sind auch in Zukunft nicht bereit und in der Lage, mit der Gestaltung attraktiver Arbeitsbedingungen im Betreuungswesen in die Wettbewerb um die Absolventen der Studiengänge der Sozialen Arbeit, Recht, Verwaltung u.a. einzutreten. Es gelingt ihnen bei ihrem Kernpersonal in der Justiz auch nicht. So wird ab der 2. Hälfte dieses Jahrzehnts trotz Sachkundenachweis das Qualifikationsniveau der berufsmäßig Betreuenden insgesamt sinken. Ebenfalls von der Marktlage hängt ab, ob für die bestandsgeschützten (Ganz-)Altbetreuer die Vergütungen in den Tabellen B und C 2025 signifikant erhöht werden: wie viele von ihnen sind am 1.1.2024 noch übrig? Sind es genug, dann sind die Vergütungen offensichtlich auskömmlich, sind es zu wenig, dann liegt es nicht am tatsächlichen Zeitaufwand (der Umstellungsaufwand durch das Bundesteilhabegesetz ist schließlich nur ein einmaliger…). Für die in anderen Berufen Gescheiterten, die mit niedrigen Sachkundeanforderungen in die Betreuung gelockt werden, wird die Einheitsvergütung 2025 attraktiv genug sein.