Länderjustizminister haben mehr als 200 Mio. Euro bei den Betreuervergütungen gespart

Referentenentwurf sieht Vergütungssteigerungen von 17 % vor

Das Bundesjustizministerium hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung herausgegeben, das eine Erhöhung des Vergütungsvolumens von 17 % vorsieht. Die fallbezogenen Vergütungssätze sind so berechnet, dass die durchschnittlichen Kosten eines Betreuungsvereins für einen Vollzeit-Vereinsbetreuer finanziert werden können. Die Vereine sollen in die Lage versetzt werden, zumindest bis zum Jahr 2021 den Vereinsbetreuern Tarifgehälter nach der Vergütungsgruppe S 12 zu zahlen.

Das am 18. Mai 2017 vom Bundestag beschlossene „Gesetz (… und) zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung“ sah eine Erhöhung der Stundensätze für Berufsbetreuer und -vormünder um 15 Prozent vor und sollte am 1.10.2017 in Kraft treten. 2015 gaben die Länder für Betreuer- und Verfahrenspflegervergütungen insgesamt 786,5 Mio € aus (aktuellere Zahlen gibt es nicht). Wäre es in Kraft getreten, würden die Länder bis zum 30.06.2019 (danach soll die 17%ige Erhöhung in Kraft treten) 206,5 Mio € mehr ausgeben. Durch die Blockade der 15%igen Erhöhung im Bundesrat haben die Länder mindestens diese Summe eingespart, wahrscheinlich aber mehr, weil in 2017 und 2018 die Zahl der berufsmäßigen Betreuungsfälle gestiegen ist.

Die Vergütungsmerkmale bleiben unverändert, werden aber bereits im VBVG miteinander kombiniert und in monatlichen Fallpauschalen zusammengefasst, d.h. Stundensätze und Stundenansätze und ihre Multiplikation fallen weg. Der größere Teil des in der ISG-Untersuchung „Qualität in der rechtlichen Betreuung“ festgestellten höheren Betreuerzeitaufwands wurde in den Fallpauschalen berücksichtigt, die Preissteigerungen seit 2005 jedoch nicht.

Jetzt gibt es für die drei Qualifikationsstufen 3 x 20 = 60 verschiedene Fallpauschalen, die von 62 € (Berufsbetreuer ohne verwertbare Qualifikation, mittelloser Betreuter in stationärer Einrichtung oder gleichgestellter ambulant betreuter Wohnform ab dem 25. Betreuungsmonat) bis zu 486 € (Berufsbetreuer mit verwertbarer Hochschulqualifikation, nicht mittelloser Betreuter in „anderer Wohnform“ in den ersten drei Betreuungsmonaten) reichen. Wie die zuständigen SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Fechner und Dirk Heidenblut erklärten, baue diese neue Systematik der Fallpauschalen „spürbar Bürokratie ab“ und vereinfache zudem die künftige Anpassung an die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung…

In einem neuen § 5a VBVG werden Zusatzvergütungen (Sonderpauschalen) für vermögende Betroffene und bei Betreuerwechseln eingeführt. Für die Verwaltung eines Anlagevermögens von 150.000 € und für Betreute als Vermieter oder Geschäftsinhaber gibt es monatlich zusätzlich 30 €. Für die Übernahme eines Falles von einem ehrenamtlichen Betreuer wird einmalig 200 € und für die Abgabe an einen ehrenamtlichen Betreuer das 1,5fache der aktuellen Monatspauschale gezahlt.

Eine Evaluierung der Vergütungserhöhung soll innerhalb von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes (voraussichtlich 1. Juli 2019) durchgeführt werden, also bis Mitte 2024. Das bedeutet bei normalem Lauf der Dinge, dass die nächste Erhöhung erst in acht Jahren kommen dürfte. Falls die Legislaturperiode des Bundestages bis 2021 dauern sollte, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die kleine und unwichtige Wählergruppe der Berufsbetreuer noch kurz vor der Bundestagswahl 2025 ein Geschenk bekommt. Wenn eine neue Bundesregierung irgendwann im Jahr 2026 ihren Prioritäten entsprechend tätig wird, würde vielleicht auch eine Vergütungserhöhung auf den Weg gebracht und nach 6-9 Monaten Verfahrensdauer, also wohl erst 2027, ins Gesetzblatt kommen.

Gegenstand der Evaluation im Jahr 2024 wird im Wesentlichen die „Lohn- und Preisentwicklung“ sein, wohl kaum der im Zuge der Sozialgesetzgebung weiter steigende Betreuerzeitaufwand.

Wenn die neuen Vergütungsregelungen insgesamt den Betreuungsvereinen ihre Existenz sicherten, dann ermöglichten sie auch den selbständigen Berufsbetreuern ein angemessenes Einkommen, heißt es im Entwurf. Während selbständige Berufsbetreuer, die durchschnittlich 37 Fälle führen und einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial abgesichert sind, bisher ein monatliches Nettoeinkommen von nur 1.478 € erzielen, würde sich dieses mit der 17 %igen Erhöhung gerade einmal um etwas mehr als 200 € auf etwa 1.700 € erhöhen.

Dies dürfte reichen, um Berufsbetreuern, die wegen ihres Alters oder ihrer eingeschränkten Qualifikation wenig beruflichen Alternativen haben, von einer Schließung ihres Betreuerbüros abzuhalten. Für junge qualifizierte Sozialpädagoginnen, Juristen o.ä. wird die Verbesserung der Einkommensaussichten jedoch keine höhere Attraktivität der Betreuertätigkeit schaffen. Auch die Anerkennung als Beruf, der für Fachkräfte konkurrenzfähig wäre, wird von den Ländern weiter blockiert. So dürfte die Zahl der verfügbaren Berufsbetreuer zurückgehen.

Das haben die Länderjustizminister aber bereits „eingepreist“ (NRW-Minister Peter Biesenbach anlässlich der letzten Justizministerkonferenz im WDR: „Wir haben genug Berufsbetreuer.“). Sie streben mit einem neuen, an der Selbstbestimmung orientierten Betreuungsbegriff, die Reduzierung der Zahl der Betreuerbestellungen an. So wird für die weitere Entwicklung der Rahmenbedingungen der Berufsbetreuung entscheidend sein, was schneller schrumpft: die Zahl der Fälle oder die der Berufsbetreuer.