Bundesgerichtshof klärt Voraussetzungen für Sachverständigengutachten
Wenn für eine rückwirkende Geschäftsunfähigkeitsfeststellung gerichtlich Beweis angetreten werden soll, dann hat das Gericht ein Sachverständigengutachten zu beauftragen, sofern konkrete Anhaltspunkte für die Geschäftsunfähigkeit in der Vergangenheit vorgetragen werden. Der Bundesgerichtshof erklärte in einem Beschluss vom 14. März 2017 (VI ZR 225/16) den Bericht eines sozialpsychiatrischen Dienstes zu einer hinreichenden Voraussetzung für einen Gutachtenauftrag.
Im entschiedenen Fall war ein psychisch kranker Betroffener in den Jahren 2005 und 2006 von einer nahestehenden Person veranlasst worden, ihr insgesamt 159.000 € zu überweisen. Schon 1995 hatten Angehörige eine Betreuerbestellung angeregt. 2011 wurde dann im Rahmen eines Betreuerbestellungsverfahrens eine Stellungnahme des sozialpsychiatrischen Dienstes erstellt, aus der hervorging, dass der Betroffene wegen einer seelischen Erkrankung seit Jahren nicht in der Lage sei, seine geschäftlichen Angelegenheiten zu regeln.
Erst 2015 klagte der Betroffene auf Feststellung der Nichtigkeit der damaligen Geldzahlungen, die der Geldempfänger als Schenkungen bezeichnete. Das Berufungsgericht lehnte die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens zur Geschäftsfähigkeit im Jahr 2005 ab. Der Bundesgerichtshof sah damit jedoch das Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Grundgesetz verletzt. Der Betroffene habe ausreichend Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit vorgetragen. Dem müsse das Berufungsgericht nun mit einem Gutachten nachgehen, so der BGH, der den Fall ans Berufungsgericht zurückverwies.
Zur Begründung zitierte der BGH aus dem Betreuungsgutachten aus dem Jahr 2011. Dies war zwar von einem Amtsarzt verfasst worden, aber der 6. Senat beschränkte sich im Wesentlichen auf die Schilderung konkreter Beispiele für „völlig unvernünftiges und selbstgefährdendes Handeln“ des Betroffenen. Eine konkrete Diagnose wurde gar nicht genannt. Ob eine dauerhafte Erkrankung besteht und zu einer Beeinflussung der freien Willensbestimmung führt, sei von dem zu beauftragenden Sachverständigen zu beurteilen.
Aus der Entscheidung ergibt sich, dass bei einer Nichtigkeitsklage als Beweisantritt für eine Geschäftsunfähigkeit nicht unbedingt ein ärztlicher Befundbericht erforderlich ist, sondern ein nach fachlichen Standards erstellter Bericht eines psychosozialen Dienstes ausreicht.