Pflicht zur Geltendmachung einer erhöhten Vermögensfreigrenze?

Landgericht Chemnitz bringt Berufsbetreuer in die Zwickmühle

Eine gute Nachricht für Betreute, aber vielleicht nicht so gut für Berufsbetreuer: das für Eingliederungshilfe-Leistungsempfänger eingeführte zusätzliche Schonvermögen in Höhe von 25.000 € soll auch auf die Vergütung aus der Staatskasse Anwendung finden. So hat es zumindest das Landgericht Chemnitz in einem Beschluss vom 08. Juni 2017 – 3 T 231/17 entschieden.

Die Beschwerdekammer des LG stellt zunächst fest, dass die Mittellosigkeitsregelung des § 1836c Nr. 2 BGB auf die Schonvermögensregelung in § 90 SGB XII. Bisher war es die herrschende Meinung, dass geschütztes Barvermögen nur die in § 1 der Verordnung zu § 90 Nr. 2 SGB XII geregelte Summe von 5.000 € sein soll. Mit der Teileinführung des Bundesteilhabegesetzes wurde in § 60a SGB XII ein weiterer Vermögensfreibetrag in Höhe von 25.000 € geschaffen. Die Gesetzesbegründung ordnete diesen Freibetrag der Härteklausel des § 90 Abs 3 SGB XII zu; es wäre also für Eingliederungshilfeempfänger eine Härte, nicht nur den kleinen Barbetrag von 5.000 € für den Hilfebedarf einzusetzen, sondern auch den zusätzlichen Betrag von 25.000 €, insgesamt also 30.000 € Sozialhilfe.

In seiner gut begründeten Entscheidung zitiert das LG Chemnitz u.a. ältere OLG-Entscheidungen, die in der Vorgängervorschrift zum § 90 SGB XII, dem § 88 BSHG, eine Härteklausel für Werkstattmitarbeiter entdeckten, aus der sich damals bereits ein weiterer Vermögensfreibetrag ergab. Dies zeige, dass § 1836c BGB sich heute auf die gesamte Reichweite des § 90 SGB XII beziehe, also auch auf den neuen Freibetrag gem. § 60a SGB XII.

Wenn nun ein Betreuter über ein Vermögen unter 30.000 € verfügt, muss der Berufsbetreuer die Mittellosigkeitsvergütung aus der Staatskasse beantragen, auch wenn dies gem. § 5 Abs 2 VBVG einen um eine Stunde geringeren Stundenansatz bedeutet. Es gibt hier aber keinen Entscheidungsspielraum: Berufsbetreuer müssen das Interesse des Betroffenen vertreten, als mittellos zu gelten, wie das LG Arnsberg am 27.08. 2015 (5 T 193/15) entscheiden hatte.

Jetzt entsteht für die antragstellenden Berufsbetreuer aber ein Dilemma. Das LG Chemnitz hat eine offenbar rechtskräftige Entscheidung getroffen, die außerhalb des Gerichtsbezirks aber keine Bindungswirkung entfaltet. Im Beschluss wurde die Rechtsbeschwerde zum BGH ausdrücklich zugelassen – aber der Bezirksrevisor beim Landgericht machte von dieser Option keinen Gebrauch, es ist keine Rechtsbeschwerde beim BGH anhängig. Wird der Vergütungsantrag gegen die Staatskasse vom Betreuungsgericht zurückgewiesen, kommt der Berufsbetreuer nicht umhin, dagegen Beschwerde einzulegen und (wegen der guten Erfolgsaussichten) gegen eine ablehnende Beschwerdeentscheidung letztlich auch Rechtsbeschwerde beim BGH einlegen zu lassen – und das alles mit dem Ziel, eine Stunde weniger vergütet zu bekommen.

Erhöhte Vermögensfreigrenze von 30.000 € (5000 nach § 1 VO zu § 90 SGB-XII + 25000 nach § 60a iVm § 90 Abs.3 SGB XII) durchzusetzen?

Es gab ja auch zuvor schon andere höhere Freigrenzen, z.B für Bezieher von ALG oder Kriegshinterbliebene und Gleichgestellte. Diese Freigrenzen sind in anderen Gesetzen geregelt. Zahlreiche OLGs (beim BGH ist das m.W. noch nicht gelandet) haben immer entschieden, dass andere Freigrenzen für die Betreuervergütung (als die nach § 90 SGB-XII, auf die § 1836c BGB verweist) irrelevant seien.

Nun sind die genannten 25.000 in § 60a des SGX-XII geregelt. § 1836c BGB verweist allerdings nur auf § 90 SGB-XII. Allerdings besagt § 60a, dass die 25000 als besondere Härte nach § 90 Abs. 3 SGB-XII anzusehen sind. Ich denke, dass man ggü. dem Gericht (bei Empfängern von Eingliederungshilfe), argumentieren könnte, dass diese Härteregelung auch bei der Betreuung gelten müsste, weil sie ja sonst komplett ins Leere liefe.

§ 1836c BGB verweist zwar generell auf § 90 SGB XII. Die Auffassung, dass damit auch die Härtefallkonstellationen des § 90 Abs 3 SGB XII gemeint sein, wurde in älteren betreuungsgerichtlichen Entscheidungen jedoch zurückgewiesen; für die Betreuervergütung sei maßgeblich nur das Schonvermögen in der Rechtsverordnung zum § 90.