Wohngruppenzuschlag in ambulant betreuter Pflege-Wohngemeinschaft:

Haftungsrisiko „Gemeinschaftliche Beauftragung“ der Präsenzkraft

Das Sozialrecht ist derartig kompliziert geworden, dass Berufsbetreuer zwar nicht immer „mit einem Bein im Gefängnis stehen“, aber permanent das Risiko auferlegt bekommen, für ausfallende Sozialleistungen zu haften, mindestens aber zeitraubende Auseinandersetzungen in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren austragen zu müssen. Unter dem Banner von Selbstbestimmung und Entbürokratisierung werden gesetzliche Regelungen geschaffen, die das Gegenteil bewirken und am Ende zu Leistungsverlusten führen.

Ein neues Beispiel: für den Wohngruppenzuschlag in ambulanten Pflege-WGs gem. § 38a SGB XI in Höhe von 214 € muss die notwendige Präsenzkraft „gemeinschaftlich“ beauftragt werden. Werden vertragliche Formerfordernisse nicht eingehalten, droht seitens der Pflegekasse ein jährlicher Leistungsverlust von 2.568 €, für die der rechtliche Betreuer des Bewohners haftet, wenn keine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden.

Das Bundessozialgericht hatte am 18.02.2016 (B 3 P 5/14R) entschieden, dass die Beauftragung einer bestimmten Präsenzkraft durch die Bewohnergemeinschaft auf Grund einer gemeinsamen Auswahl erfolgen müsse mit einer gemeinsamen Festlegung ihres konkreten Aufgabenkreises. Die Landessozialgerichte in Rheinland-Pfalz (07.01.2016 – L 5 P 32/15) und aktuell Berlin-Brandenburg (24.09.2018 – L 30 P 53/18 B PKH) wiesen Ansprüche auf den Wohngruppenzuschlag zurück, wenn Dienstleister statt in gemeinschaftlicher Form durch Einzelverträge beauftragt würden. Selbst wenn alle Auftraggeber dieselbe Person beauftragten, liege rechtlich betrachtet nicht ein Vertrag mit einem Auftraggeber vor, sondern eine Vielzahl von Verträgen mit einer Vielzahl von Auftraggebern vor.

Demgegenüber lässt das LSG Nordrhein-Westfalen zur gemeinschaftlichen Beauftragung gleichlautende Einzelverträge zu (20.09.2018 – L 5 P 97/17). Schließlich habe der Gesetzgeber keine gesamtschuldnerische Haftung der Bewohner gewollt. Bei einem Bewohnerwechsel könne von den anderen verbleibenden Bewohnern kein neuer Vertragsschluss verlangt werden.

Rechtliche Betreuer müssen ihre Betreuten z.B. in Bewohnerversammlungen vertreten, wie z.B. in Art.22 des Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes geregelt: Um die Selbstbestimmung der Bewohnerinnen (…) zu gewährleisten, ist in ambulant betreuten Wohngemeinschaften in der Regel ein Gremium einzurichten, das diese interne Qualitätssicherungsfunktion ausübt und die Angelegenheiten des täglichen Lebens regelt. In diesem Gremium sind alle Bewohnerinnen und Bewohner und für den Fall, dass diese ihre Angelegenheiten nicht mehr selbstständig regeln können, der Betreuer oder ein Angehöriger vertreten.

Betreuer von WG-Bewohnern sollten sich daher von den Arbeitgebern der Präsenzkräfte schriftlich zusichern lassen, das mit allen Bewohnern gleichlautende Verträge abgeschlossen sind. Falls dem nicht so ist und der Wohngruppenzuschlag endgültig abgelehnt wird, haftet der Betreuter dann nicht.