Notwendige Pflichtverteidigerbestellung eines betreuten Angeklagten sogar bei anwaltlichem Berufsbetreuer

Eine Pflichtverteidigerbestellung kommt auch bei minderschweren Straftaten schon dann in Betracht, wenn an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung erhebliche Zweifel bestehen. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine Betreuung u.a. mit den Aufgabenkreisen der Rechts- und Behördenangelegenheiten bestellt ist, wie das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt in einem Beschluss vom 21.10.2016 (2 Ws (s) 16/16) entschieden hat.

Das Landgericht Halle hatte es abgelehnt, gemäß § 140 Abs. 2 StPO einen Pflichtverteidiger beizuordnen, weil dies weder hinsichtlich der Schwere der Tat noch der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten sei.

Das OLG Hamm hatte schon am 14.08.2003 (2 Ss 439/03) einen Fall der notwendigen Verteidigung gesehen (Angeklagter ist aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten oder seines Gesundheitszustands in seiner Verteidigungsfähigkeit eingeschränkt), wenn für den Angeklagten ein Betreuer bestellt ist. Im Betreuungsgutachten war eine alkoholbedingte Hirnleistungsminderung und eine multiple Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden.

Die Tatsache, dass ein Betreuer bestellt sei, stehe der Notwendigkeit einer Pflichtverteidigerbestellung nicht entgegen, so das OLG Sachsen-Anhalt – nicht einmal nach der Bestellung eines anwaltlichen Berufsbetreuers.