§ 53 Zivilprozessordnung abschaffen? – Keine gute Idee

Selbstbestimmung statt Schutz betreuter Menschen führt zu Nachteilen im Verwaltungsverfahren

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe und der Bundesverband der Berufsbetreuer (BdB) wollen den § 53 der Zivilprozessordnung abschaffen. Dieser regelt die Prozessunfähigkeit betreuter Menschen, d.h. wenn in einem Rechtsstreit ein Betreuer eine betreute Person tatsächlich vertritt, so steht diese für den Rechtsstreit einer nicht prozessfähigen Person gleich.

In Verbindung mit § 11 Abs 1 Nr. 2 SGB X, die die Handlungsfähigkeit im Sozialverwaltungsverfahren regelt – unabhängig von der situativen Geschäftsfähigkeit – folgert daraus, dass betreute Menschen generell dann handlungsunfähig sind, wenn sie in einem Verwaltungsverfahren durch den Betreuer tatsächlich vertreten werden.

Dies gilt auch dann, wenn der/die Betreute ansonsten geschäftsfähig ist (LSG Berlin-Brandenburg v. 24.07.2014, L 25 AS 2260/12 B PKH). Im Umkehrschluss heißt dies auch, dass der betreute Mensch zunächst handlungsfähig bleibt, wenn der Betreuer das Verwaltungsverfahren (noch) nicht eingeleitet hat. Diese rechtliche Automatik halten die beiden Verbände für einen unzulässigen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit Behinderungen.

Welche Konsequenzen es hätte, wenn die Betroffenen in Sozialverwaltungsverfahren nicht mehr vertreten werden könnten, sondern selbst ihre Mitwirkungspflichten erfüllen müssten, demonstriert das Bayerisches Landessozialgericht in einer Entscheidung (vom 14.11.2017 – L 11 AS 870/16) zu Rückforderungen von Jobcenter-Leistungen in fünfstelliger Größenordnung wegen falscher Angaben zum Vermögen.

Der Betroffene, leicht geistig behindert (IQ 64) und psychisch krank, hatte bestritten, Barvermögen über der Schonvermögensgrenze im SGB II zu besitzen. In späteren Begutachtungen stellte sich heraus, dass er kaum Vorstellungen von Zahlen über 100 hatte und nicht in der Lage war, Zusammenhänge zwischen Alg2-Leistungen und Vermögen zu erfassen. Das Ausfüllen eines Leistungsantrages übersteige seine Fähigkeiten. Das Jobcenter stellte später ohne weitere Sachverhaltsaufklärung zur Vorwerfbarkeit fest, dass er seine Mitwirkungspflichten verletzt habe und forderte alle Leistungen zurück, die er über einen mehrjährigen Zeitraum unrechtmäßig bezogen habe.

Der daraufhin bestellte Betreuer trug den Fall durch zwei Instanzen zur Prüfung der Frage: „Hätte der Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Mitwirkungspflichten erkennen können und müssen?“ Das Landessozialgericht stellte dann fest, dass bei situativer Geschäftsunfähigkeit die Falschangaben zum Vermögen gem. § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X nicht vorwerfbar gewesen seien.

Ein bereits während des Verwaltungsverfahrens bestellter rechtlicher Betreuer hätte den Betroffenen schon bei der Erfüllung der Mitwirkungspflicht vertreten und ihn so vor den Folgen schützen können, die jeden situativ Geschäftsunfähigen bei allen einkommens-/vermögensabhängigen Leistungen treffen können. Die Betonung des Selbstbestimmungsprinzips entzieht den Betroffenen jedoch die Schutzwirkung der rechtlichen Vertretung, hier im Verwaltungsverfahren.

Auch der Vorschlag des Betreuungsgerichtstages e.V., dass eine Unterstützung durch den Betreuer im Verfahren möglich sein solle, ohne dass dessen Beteiligung zum Ausschluss des Betroffenen vom Verfahren führt, würde bei aktiven Betroffenen zu widersprüchlichen Mitteilungen gegenüber den Behörden führen und damit die Schutzwirkung der Vertretung im Verfahren entfallen lassen.